1883: Swan stellt die "Schwiegermutterseide" her
Chemie am Menschen - Kunststoffe
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1883
Swan stellt die "Schwiegermutterseide" her
Cellulosenitrat (Nitrocellulose, Schießbaumwolle) war nicht nur Wegbereiter des Celluloids (siehe vorigen Beitrag), sondern führte auch zu einem brauchbaren Ersatz der teuren Naturseide. Kunstseide ist der Naturseide vom Aussehen her sehr ähnlich und fasst sich auch ähnlich an. Während Naturseide jedoch aus dem Protein der Seidenkokons (Seidenspinner, Maulbeerspinner) besteht, besteht Kunstseide aus Cellulose, einem Polysaccharid.
1855 stellte Audemars aus einer Lösung von Nitrocellulose Fäden her, indem er mit Hilfe einer Stahlnadel aus seiner hergestellten Masse Fäden zieht [1]. Doch erst der Engländer Joseph Wilson Swan konnte 1883 verwendbare künstliche Seide herstellen. Die von ihm gewebten Tücher aus Nitro-Kunstseide wurden auf einer Ausstellung in London im Jahre 1885 vorgestellt [2]. Damit gilt Swan als der Gründer der Kunstseideherstellung. Serienmäßig wurde dann Nitro-Kunstseide ab 1890 in der Fabrik von Graf Hilaire de Chardonnet mit einer anfänglichen Tagesproduktion von 50 kg herstellt [3]. Die Kunstfaser war leicht entflammbar, weshalb sie auch Schwiegermutterseide genannt wurde. Man meinte mit schwarzem Humor, dass man "diese vielleicht nicht sonderlich beliebte Verwandte loswerden konnte, indem man ihr ein Stück Textil aus dieser neuartigen Kunstseide schenkte, auf daß sie plötzlich in Flammen und mit beiden Beinen schon im Grab stand." [4]
Ab 1899 konnte Kupfer-Kunstseide hergestellt werden, die in der Herstellung günstiger als die Nitro-Kunstseide war und bessere Eigenschaften aufwies, sodass ab 1912 in Deutschland keine Nitro-Kunstfaser mehr hergestellt wurde [3]. Für Kunstseidenstrümpfe aus Kupfer-Kunstseide, auch Bemberg-Seide nach der Firma J. P. Bemberg A.G genannt, machte die berühmte deutsche Schauspielerin Marlene Dietrich Werbung.
Die etwas später im Jahre 1917 beginnende Großproduktion der preiswerteren Viscose-Kunstseide hatte gegenüber der Kupfer-Kunstseide den Nachteil, dass sie nicht so fein gesponnen werden konnte. Die chemische Zusammensetzung der Viscose-Kunstfaser ähnelt sehr der von Baumwolle.
Ab 1916 wurde in England im großen Maßstab Acetat-Kunstseide aus Celluloseacetat hergestellt, die vor allem gute Knitterfestigkeit und gute Formbeständigkeit, sowie ein schnelles Trocknungsvermögen aufweist [3]. Wegen der geringen Quellbarkeit kann es kaum Wasser aufnehmen. Daher ist Celluloseacetat für Regenmantel- und Schirmstoffe gut geeignet. Aber auch für andere Gebrauchsgegenstände, wie z.B. Schraubendreherhandgriffe, Kunststoffbrillengestelle u.v.m. wird Celluloseacetat heute noch verwendet.
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[1] Die Kunstseide, Franz Becker, Online-Version, am 24.04.14 abgerufen
[2] Lehner, Zeitschrift für angewandte Chemie 1906, S. 1582
[3] Deutsches Strumpfmuseum, Kunstseide, am 24.04.14 abgerufen
[4] Plasticker.de, Geschichte des Kunststoffs, am 24.04.14 abgerufen
Bildquellennachweise:
- Buchdeckel, Schweizer Kunstseide, http://www.csafra.net/livres/ , am 17.04.14 abgerufen
- Strukturformel Cellulosenitrat, de.Wikibooks.org, am 24.04.14 abgerufen
- Strukturformel Celluloseacetat, Yikrazuul, commons.wikimedia.org, am 24.04.14 abgerufen