Das LEWIS-Konzept unter Berücksichtigung der Mesomerie
Die Lewis-Formeln (Strukturformeln, Valenzstrichformeln) sind uns schon oft begegnet. Dieser Artikel setzt den folgenden Artikel als Vorwissen voraus:
Wir wollen uns hier mit dem Aufstellen von Lewis-Formeln bei schwierigen Fällen näher beschäftigen.
Die LEWIS-Formeln beschreiben Bindungsverhältnisse in Molekülen oder Anionen. Die bindenden Elektronenpaare werden als Striche notiert, nicht bindende Elektronenpaare werden ebenfalls als Striche notiert, um die Oktettregel überprüfen zu können.
Das Bindungskonzept von LEWIS (1916 entwickelt) geht davon aus, dass die Bindung zwischen den Atomen eines Moleküls durch die gemeinsame Benutzung von Elektronen erfolgt. Elektronen, die gemeinsam benutzt werden, nennt man bindende Elektronenpaare. Sie werden jeweils aus ungepaarten Valenzelektronen der Atome gebildet. Man nennt diese Bindungsart Elektronenpaarbindung, kovalente Bindung oder auch einfach nur Atombindung. Die übrigen Elektronenpaare werden als nichtbindende oder freie Elektronenpaare bezeichnet. Wohl gemerkt: Es geht hier ausschließlich um Valenzelektronen.
Regeln der LEWIS-FORMELN - mit Beispielen
1.
Die Nichtmetall-Atome müssen den im PSE angegebenen Wertigkeiten (alt: Bindigkeiten. Viel besser: Oxidationsstufen) gehorchen, wobei die im PSE von Chemiezauber.de unterstrichenen Wertigkeiten bevorzugt werden.
Die Oktettregel (8 Elektronen = voll besetzte Valenzschale) gilt - streng genommen - nur für die Hauptgruppen-Elemente der 2. und 3. Periode. Viel wichtiger ist der Gedanke einer voll besetzten äußersten Schale, also die Edelgaskonfiguration.
In der 1. Periode spielen nur die Wasserstoff-Atome ein Rolle, die immer 1-wertig sind. Wasserstoff ist also bezüglich der Oktett-Regel eine Ausnahme, da die Schale des Wasserstoff-Atoms nur bis zu zwei Elektronen aufgefüllt werden kann.
- Es gibt Ausnahmen, die sich aus der Regel 1 ergeben (Bor).
- Die strenge Formulierung der Oktettregel erfordert mitunter Mehrfachbindungen.
- Die Elemente der 5. Hauptgruppe besitzen eine ungerade Anzahl an Valenzelektronen (so z.B. Stickstoff!). Die Einhaltung der Oktettregel ist hier manchmal nicht möglich. Es entstehen Radikale, die in der Regel sich untereinander binden (Dimerisierung).
2.
Die beiden Nichtmetall-Elemente Phosphor und Schwefel stehen in der 3. Periode. Hier können mehr als 8 Valenzelektronen einem Atom zugehörig sein (Aufweitung der Oktettregel). Beim Phosphor 10, beim Schwefel 12 Elektronen. Die Aufweitung der Oktettregel wird jedoch kontrovers diskutiert. Die Oktettregel lässt sich nämlich durch die Verwendung von mesomeren Grenzstrukturformeln aufrecht erhalten (siehe nächsten Abschnitt).
3.
Für einige Moleküle bzw. Anionen ergeben sich bei der Beachtung der Oktettregel (bzw. der Aufweitung der Oktettregel) LEWIS-Formeln mit (formalen) Ladungen und mehreren Möglichkeiten (mesomere Grenzstrukturformeln).
Beispiel: Ozon-Molekül
Im Ozonmolekül besitzt jedes Sauerstoff-Atom eine unterschiedliche Wertigkeit (Bindigkeit). Um die Oktett-Regel zu erfüllen, muss nicht nur eine Doppelbindung aufgebaut werden, es entstehen sogar zwei formale Ladungen. Hierbei gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten. Es sind Grenzfälle. Solche Formeln werden Grenzstrukturformeln genannt und mit dem abgebildeten Mesomeriepfeil versehen.
Das Ozon-Molekül ist gewinkelt (116,8°). Das nicht bindende Elektronenpaar des mittleren Sauerstoff-Atoms beansprucht etwas mehr Platz als die Bindungselektronen und drückt daher die beiden anderen Sauerstoff-Atome nach unten.
Beispiel: Schwefeltrioxid
Beim Schwefeltrioxid ist der BindungswinkelF-B-F = 120°. Das Molekül ist trigonal, planar gebaut. Die mesomeren Grenzstrukturformeln sind:
In der Strukturformel links ist die Oktettregel für das Schwefel-Atom nicht erfüllt! Daher sind die mesomeren Grenzstrukturformeln vorzuziehen.
Mesomerie (Resonanz) ist ein Zustand, bei dem sich bestimmte Elektronen (π-Elektronen) in einem Bindungssystem nicht bestimmten Bindungen zuordnen lassen. Sie sind über einen Bereich des Moleküls delokalisiert. Da sich dieser Zustand nicht durch eine klassische LEWIS-Formel wiedergeben lässt, wird er durch eine Kombination nicht realer (hypothetischer) Grenzstrukturformeln beschrieben, bei der oft formale Ladungen vorliegen. Formalladungen werden, im Gegensatz zu Ionenladungen, in einem Kreis gezeichnet. Moleküle, bei denen man mesomere Grenzformeln aufstellen kann, sind besonders energiearm (stabil) - insbesondere, wenn sich die Delokalisierung über einen großen Bereich des Moleküls erstreckt.
Anwendungsbeispiel: Das Carbonat-Ion
- Schreiben Sie zunächst die Summenformel des Teilchens auf.
- Ermitteln Sie nun die Anzahl an Elektronenpaaren und die Anzahl an Bindungen nach dem bekannten Muster.
- Nun bestimmt man das Zentralatom (das ist das Atom, das in der Summenformel nur ein Mal vorkommt und die meisten Bindungen aufbauen kann) und gruppiert die anderen Atome durch eine Einfachbindung jeweils im 90°-Winkel um das Zentralatom herum. Handelt es sich um ein Ion, so wird das Ganze von einer großen eckigen Klammer umgeben, die Ladung wird rechts hochgestellt notiert, wie bei Ionen üblich.
Sollten unter den anderen Atomen unterschiedliche Atome (z.B. Sauerstoff-Atome und Wasserstoff-Atome), so kommt man am häufigsten dann zum Erfolg, wenn man zunächst nur die Atomart mit der höchsten Bindigkeit an das Zentral-Atom bindet. - Die verbleibenden Bindungselektronen werden nun so eingebaut, dass das Zentral-Atom auf seine Bindigkeit kommt. Dann werden die restlichen Atome entsprechend ihrer Bindigkeit eingebaut.
- Zum Schluss werden die restlichen, nicht bindenden Elektronenpaare so verteilt, dass für jedes Atom die Edelgaskonfiguration erreicht ist.
- Gesamtlösung
Es gibt also drei mesomere Grenzstrukturformeln für das Carbonat-Ion. Man kann sich diese mesomeren Grenzstrukturformeln auch durch "Umklappen" von Elektronenpaaren wie bei umfallenden Dominosteinen vorstellen:
Hier unter Berücksichtigung von GILLESPIE.
Folgende Darstellung soll die Delokalisierung der π-Elektronen verdeutlichen:
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